“Nehmt den Kindern das Handy weg” oder “Nehmt euch selbst das Handy weg” oder “Einmal FOMO, schön scharf mit allem zum mitnehmen, bitte”

Diesmal konnte ich mich beim Titel des Artikel nicht einig werden, so das ich gleich alle genommen habe. Worum geht es? Klar, um Handys. Aber im Grunde sind Handys total friedfertige Geschöpfe (mal abgesehen das sie wie eine Bombe explodieren können). Es geht mir eher um die Apps die darauf installiert sind und wie wir damit umgehen.

Mein Sohn ist mit seinen 10 Jahren auf seine neue Schule gekommen (5te Klasse) und schon beim Elternabend wurde von den Lehrern ein interessanter Punkt angesprochen. Denen ist es nämlich untersagt einer Whatsapp-Gruppe der Eltern beizutreten. Gleichzeitig wurde auf das Mindestalter von Whats-App hingewiesen, dass liegt nämlich bei 14 Jahren (UPDATE: Besten Dank Nancy. Das Mindestalter für WhatsApp ist NICHT 14, sondern 16.). Hui, denke ich. Die sind ja auf Zack. Zack war das Stichwort und schon konnten die Eltern diese Meinung nicht teilen und es wurde diskutiert. WhatsApp ist doch toll, man kann sich super absprechen, den Kindern kann man noch schnell eine Info schicken und Termine machen, bla bla. Nein, kann man nicht.

WhatsApp für die Organisation

Aus persönlicher Erfahrung halte ich WhatsApp für eins der schlechtesten Mittel etwas zu planen. Für Termine gibt es Doodle, bei Dingen die man zu einer Party mitbringen soll gibt es BringABottle  und Fotos teils man über Dropbox (geht so) oder GoogleFotos (besser). Es ist schlicht nicht möglich wenn 30-40 Eltern in einer Gruppe über ein Thema unterhalten wollen. Das ufert irgendwann zum gepöbel und gezicke aus und ich hab kein Bock mir 40 Nachrichten durchlesen zu müssen, um heraus zu finden, das die Schule morgen eine Stunde später anfängt. Also ich sage nein zu solchen Gruppen. Das ständige DingDong meines Handys würde mich auch zu sehr von der Arbeit abhalten. NERVIG!

WhatsApp zur Kommunikation mit Kinder

Ich frage mich warum. Ich wünsche meinem Burschen Morgens einen guten Tag und sehe ihn abends wieder. WAS soll ich dem denn noch zwischendurch denn noch sagen wollen? Komme ich später von der Arbeit dann wird er das schon feststellen, wenn ich nicht da bin. Dafür gibt es die Regel, das er mich vom Festnetz anruft. Es gibt keine Notfälle. Wenn es welche gibt, ruft man die Schule an oder organisiert eine Abholung. Leute, lasst die Kinder los. Ich möchte doch, dass der Bursche selbständig wird und nicht in Panik verfällt, wenn mal was nicht so läuft wie es besprochen war. Auch möchte ich nicht wie ein Helikopter meinen Sohn an die Leine nehmen.

WhatsApp zur Kommunikation unter Kindern

Aber wie sieht es aus, wenn Kinder in solchen Gruppen sind. Der Kumpel meines Sohnes ist total stolz, dass er in 20 unterschiedlichen Gruppen ist. Der Junge ist auch 10. Tja, von wem hat er das wohl? Klar gibt es einen Gruppenzwang, aber wozu sind denn bitte Eltern da? Es ist leider nicht das erste mal, das ich von jemanden aus meinem Dunstkreis höre, das ein Kind über WhatsApp gemobbt wurde. Cybermobbing ist für Kids schlimm. Wirklich Schlimm. Kinder sind nämlich da zügelloser als wir großen, wenn wir unsere Arbeitskollegen mobben. Und sie können sich schlecht wehren oder haben die Haut, um das auszuhalten. Da hilft am Ende nur noch der Schulwechsel. Schulwechsel wegen einer Chatgruppe? Na, super.

Apps

Äh….ich weiche vom Thema ab. Ich wollte eigentlich schreiben, das unser liebes Handy doch total unschuldig ist und überhaupt nichts dafür kann, das wir unser Maul darum zerreisen. Es sind nämlich die Apps. Eine App ist ein Stück Software, die von Entwicklern in Firmen programmiert wurden. Diese Firmen wiederum haben ein Ziel: Gewinn machen. Wenn eine Firma Gewinn machen möchte und das mit Apps, muss sie sich folgendes überlegen: wie erziele ich Gewinn, also welches Einnahmequellen nutze ich und wie bringe ich meine User auf diese App und halte sie auf der App.

Bei der ersten Frage setzen die meisten App-Entwickler heute auf Freemium-Modelle. Das ist ein Schlagwort, das leider schon oft verkaut wurde und beschreibt im Grunde ein sehr soziales Geschäftsmodell: Die App oder Webdienst wird dafür kostenlos allen Nutzern bereitgestellt und Premium-Funktionen werden nur gegen Aufpreis angeboten. Die Theorie besagt, das über 80% der User mit dem kostenfreien Teil der App zufrieden sind und 20% der User bereit sind auch für mehr Funktionen zu zahlen. Bekanntes Beispiel ist zum Beispiel Dropbox: Der Großteil der User nutzen den Dienst kostenfrei und nur wenige zahlen dafür. Die User die dafür zahlen, finanzieren alle Ausgaben, auch die Ausgaben wie Serverkosten die für die kostenfreien User anfallen.

Soweit so gut. In der Liste der Top-50 Apps mit den höchsten Umsätzen befinden sich stand heute ausschließlich Apps mit Freemium-Modelle. Wenn ich aber das Ziel habe Gewinn zu machen und diesen maximieren möchte, muss ich also es schaffen mehr von kostenfreien-Usern – die schließlich nur Nutznießer sind und nur Kosten verursachen – dazu bringen auch etwas für die App zu zahlen. Jetzt wird es interessant welche Ansatz hierbei angewandt werden. Keine Angst, nun kommen keine Illegalen Tricks oder Betrügermethoden zum Einsatz. Wir alle kennen diese Tricks, weil wir selbst jeden Tag darauf hineinfallen. Es sind spezielle Formen der Darstellung von Inhalten oder die Abhängigkeit von Erfolgen durch Erwerb von kleinen Bonis für ein Spiel.

Es geht darum, den User an die App zu binden, das dieser nicht mehr aufhört mit ihr rumzufummeln. Es geht darum, mit nur winzigen Geldbeträgen, einen scheinbaren großen Vorteil in der App zu erhalten. Es geht darum, das wir alle schon Handy-Süchtig sind und wir unseren Kindern diese Spritze nicht in die Hand drücken sollten.

Dein Selbsttest

Kleiner Selbsttest 1

Ihr sitzt bei der Arbeit und habt gerade eine (in Zahlen 1) Minuten Leerlauf. Handy gezückt und mal kurz Instagram / Facebook / Dienst deiner Wahl hier eintragen / sonst was abgeheckt. Wenn ihr mit der Arbeit weiter machen, wie viel Zeit ist wirklich vergangen. Eine Minute, 5 Minuten oder 10 Minuten? Die Zahl sagt etwas darüber aus, wie sehr ihr dem Sog der App verfallen seit. Man redet von der Stickiness, also wie sehr du an der App klebst und immer weiter runter scrollst und weiter suchtest. Diese Techniken sind bei Apps sehr beliebt und recht einfach zu erzeugen. Noch einmal: Eine Firma die Gewinn machen will, wird versuchen alle Register zu ziehen um dich an die App zu kleben.

Kleiner Selbsttest 2

Ihr legt das Handy auf Stumm und dreht es mit dem Bildschirm nach unten auf den Tisch (Wer seine Smartwatch mit dem Ding verbunden hat, stellt auf Flugzeugmodus). Wie lange dauert es, bis ihr es wieder aufnimmt? Eine Minute, 5 Minuten oder 10 Minuten? Die Zahl sagt etwas darüber aus, wie sehr ihr nach den Neuigkeiten des Handys suchtet. Man spricht von FOMO, Fear of missing out, die Angst etwas zu verpassen. Es ist wissenschaftlich schon bewiesen, das bei Handynutzern es zu Stress, erhöhtem Blutfreqzenz und Blutdruck führt, wenn einem das Handy weggenommen wird. Gut Anzeichen einer Abhängigkeit. Man spricht auch von Sucht. Handy-Sucht.

Man sollte verstehen, das Apps nicht deine Freunde sind. Es sind Werkzeuge die von Firmen erschaffen wurden, die Gewinn machen wollen. Wenn du für die App nicht bezahlst, kannst du dir sicher sein, das die Firma trotzdem mit dir Gewinn macht. Eventuell nicht sofort, aber bestimmt später.

Wie sage ich es meinem Kind

Ist es nicht merkwürdig das gerade die Firmencheffs, die mit Software ihr Geld verdienen, ihren Kindern starke Handyverbote auferlegen (Bill Gates: Seine Kinder bekommen erst mit 14 Jahren ein Handy, Steven Jobs: strickte Auflagen zur Nutzung von PC und Mobilgeräten für seine Kids)? Frankreich hat seit Sommer 2018 ein Handyverbot für Schüler bis zum 15ten Lebensjahr auf den Schulen eingeführt. Das gab anfangs massive Proteste (der Eltern) und jetzt scheint es doch tatsächlich, das a.) ein solches Verbot doch nicht so schlimm war wie gedacht und b.) es sich sogar sehr positiv auswirkt.

Frag ich heute meinen Sohn ob er ein Handy haben will, antwortet er mit ja. Die Antwort erwarte ich mal von jedem Kind. Fragt ihr das Kind, ob es 50 Euro haben will, eine Kinofreikarte, einen Führerschein oder einen Massagestuhl wird es wohl auch zu allem ja sagen. Wer steckt die Grenze? Richtig! Die Eltern.

Apps auf dem Handy suchten. Sie machen abhängig. Sie nerven mit ständigen Benachrichtigungen. Sie halten von der (Schul)Arbeit ab. Sie zwingen einem ein ungewolltes Verhalten auf. Doof!

Habe ich eine Lösung? Nö. Apps kann man nicht wegdenken. Ich hab auch ein Instagram-Account, ich nutze Facebook und schreibe über WhatsApp meinen Kumpels. ABER, ich schalt die Benachrichtigung von den Dingern ab und ich erziehe mir meine Freunde. Ich bin am Wochenende und auch Abends über Chat oder Mail nicht mehr erreichbar. Das hilft. Und es hilft, das ich der Meinung bin, das ich nicht alles wissen muss. Ich sterbe nicht, wenn ich die letzten News, Chats, Gruppenmeinung nicht gelesen habe. Ich bilde mich gerne fort und ich bin auch oft auf News-Seiten, um zu sehen, was die Welt heute so angestellt hat. Dafür nehme / plane ich mir aber Zeit ein und lasse außerhalb dieser Zeit auch links liegen.

Das Thema Handy steht nun an und nehmen mir vor, das der Junge ein Handy bekommt, das strickte Beschränkungen besitzt und er die Regeln der Nutzung kennt. Es gibt in den jeweiligen Apps-Stores für die Beschränkung eine Vielzahl Dienste die einem helfen soll, Kontrolle über das was das Kind da macht zu haben. Ja. Kontrolle über das was das Kind da macht. Kontrolle ist scheiße, so das ich hier auf Limits setze. Limit an Zeit am Handy und Limits welche Apps auf dem Handy sind. Wenn er eine App hat, soll er die auch benutzen wie er möchte. Aber auch das muss ich ihm noch beibringen und auch mit ihm zusammen Regeln definieren.

Wird ein WhatsApp geben? Nein. Instagram, Facebook, etc? Ein Browser? Nein. Jede dieser App hat, stand heute, ein AGB die ein Mindestalter von 14, 16 oder gar älter Jahren vorgibt. Wer bin ich, das ich die Geschäftsbedingungen einer Firma overrule?

Der Junge wird lernen, wie mit diesen Apps umgegangen wird und das kann er nur von, oder mit mir lernen, oder?

So, ich gehe jetzt mein unschuldiges Handy streicheln.

Lesetipp: Die 7 Wege zur Effektivität . Gibt es sogar für Jugendliche, hab ich aber noch nicht gelesen.

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